Netter Bericht über uns in der Wolfenbütteler Zeitung ... das "Leck im Kabel" ist aber definitiv nicht auf unserem Mist gewachsen ... da muß die Redakteurin noch was lernen ;-))
Zu berichten gibt es vom heutigen letzten Tag nicht mehr ganz so viel. Wir sind von Kolberg über Usedom schnurstracks Richtung Hamburg gedüst. In Deutschland konnten wir auf der Autobahn ja mal wieder so richtig Gas geben. Das Herzstück des Dicken lief (und läuft) wie ein Uhrwerk. Über 9000 Kilometer haben wir in den vergangenen 16 Tagen zurückgelegt und dabei keinen Tropfen Motoröl verbraucht. Ob ich den Wagen im Anschluß behalte oder wieder verkaufe ... so ganz habe ich mich noch nicht entschieden ... doch eine Trennung wird mir nach den ganzen Erlebnissen sicherlich schwer fallen! Jedes Team sollte sich zum Zieleinlauf noch etwas einfallen lassen, um den Wagen zu "pimpen". Wir hatten diese Sache etwas vernachlässigt ... ganz ohne Veränderung wollten wir dann aber doch nicht in Hamburg eintreffen. In der Nähe von Rostock schnell einen Flohmarkt ausfindig gemacht und dort zwei Geweihe gekauft. Zusammen mit leeren Bierdosen und den Patronenhülsen, die wir beim Wildcampen auf einem Schießplatz gefunden hatten, gab der Dicke dann ein zum Teamnamen passendes Bild ab. Gegen 17 Uhr fuhren wir über die Ziellinie, einige von Stefans Freunden erwarteten uns bereits, und der ganze Platz war schon gut gefüllt. Jetzt erstmal das Roadbook zur Auswertung abgegeben, dann ein kühles Getränk am Strand Pauli genossen und ein bißchen gequatscht. Um 19.30 Uhr wurde zur Siegerehrung in den Nochtspeicher geladen. Den "Kampf" um die meistgefahrenen Kilometer haben wir knapp verloren ... mit 9130 ganz weit vorn dabei. Gefreut habe ich mich über den Gesamtsieg der Opel GT Jungs. Mit diesem Wagen so eine Tour zu fahren, ist schon eine starke Leistung. Herzlichen Glückwunsch auch an die Zweit- und Drittplatzierten. Gewinner sind wir aber sowieso alle, denn die Eindrücke und Erfahrungen, die wir auf dieser Reise hinzugewonnen haben, kann uns keiner mehr nehmen, und sie sind unbezahlbar. Wir wollten eigentlich noch ein wenig länger auf der anschließenden Party verweilen, aber langsam setzte dann doch die Müdigkeit ein, und so entschlossen wir uns - wie viele andere Teams - zur frühzeitigen Heimreise. Gegen 22.30 Uhr in Wolfenbüttel angekommen, gab es dann noch ein Bier bei Freunden und um 24 Uhr war ich froh, in mein Bett fallen zu können. Fazit: Schön war's! Spannend, aufregend, erlebnisreich! Es wird nicht meine letzte Rallye gewesen sein - es gibt noch viel zu entdecken. Man hat zwar unterwegs wenig Zeit, dafür sieht man trotzdem eine Menge, bekommt einen Überblick über die Länder, lernt viele nette Menschen kennen, feiert zusammen, hilft sich gegenseitig. Und es sind einige Orte im Gedächtnis geblieben, die ich sicherlich noch mal ohne Zeitdruck besuchen werde. Unser Dank geht an alle Sponsoren und Unterstützer und an die Menschen, die zuhause vorm Monitor beim Lesen der Tagesberichte mitfgefiebert haben. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal! "Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf." (Oscar Wilde) Ein Freund hat Fotos vom Finaleinlauf geschickt ... da muß ich natürlich ne zweite Galerie eröffnen. Herzlichen Dank, lieber Michael!
Der vorletzte Tag begann mit einem guten Hotelfrühstück. Gegen 10 Uhr haben wir ausgecheckt und uns auf den Weg gemacht, das ehemalige Wohnhaus der Familie Casemir zu finden. Mein Vater war vor mehreren Jahren bereits dort, hatte mir die Stelle auf einem alten Königsberger Stadtplan markiert, den aktuellen russischen Straßennamen notiert sowie ein Foto des Mehrfamilienhauses mitgegeben. Die Adresse lag ca. 5 km vom Hotel entfernt und war schnell gefunden. Das Haus unverändert, wie auf dem Foto. Eigentlich ein sehr schönes Gebäude, aber vermutlich wurde hier seit Kriegsende nicht mehr viel gemacht. Selbst der Garten komplett verwildert und zugemüllt mit diversem Krempel. Drei Kätzchen guckten mich mit großen Augen an, eines davon verschlang gerade ein dickes Stück Fleisch. Als Katzenliebhaber wird es meinen Vater vielleicht freuen zu hören, daß in seinem ehemaligen Zuhause nun offenbar auch Menschen mit einer Vorliebe für Stubentiger wohnen … auch wenn die Miezen das Fleisch hier roh verzehren müssen und nicht, wie bei meinen Eltern, gebraten vorgesetzt bekommen ;-)
Wir sind anschließend noch am Hafen entlanggefahren, um zum Wahrzeichen der Stadt, dem Dom, zu gelangen. In unmittelbarer Nähe der Dominsel befand sich früher der historische Fischmarkt. Nun steht hier das sehr schöne, neu erbaute Fischerdorf mit vielen Fachwerkhäusern, wo wir am gestrigen Abend bereits gespeist hatten. Es soll in den kommenden Jahren noch erweitert werden. Gegen 11.30 Uhr führte der Weg dann langsam wieder aus der Stadt hinaus in Richtung russ./poln. Grenze. Mehr Zeit zum Besichtigen blieb leider nicht, denn wir mußten auf der Tour zum heutigen Etappenziel Kolberg noch die Fotos für unser Roadbook entwickeln lassen. Das sollte mit einem Abstecher nach Danzig verbunden werden. Die Abfertigung an der russischen Grenze war mittlerweile Routine, verlief problemlos und relativ zügig. Einzig nennenswert war die Dame, die sich in einem verspiegelten Glaskasten befand und mir während der Paßkontrolle irgend etwas auf russisch entgegenbellte … wie sich herausstellte, sollte ich sie direkt ansehen und nicht in der Gegend rumgucken. Hätte ich ja gerne gemacht … nur wenn man vor einer Spiegelfläche steht, erweist sich das als etwas schwierig ... Wir fuhren nun zum polnischen Grenzposten vor und erwarteten eigentlich ein schnelles Verfahren. Meistens kommt es anders, vor allem als man denkt. Die Herrschaften waren überaus unfreundlich. Der Drogenhund hat noch den nettesten Eindruck hinterlassen. Man ließ sich mit der Kontrolle unserer Ausweisdokumente jedenfalls viel Zeit. Dann auf einmal die Aufforderung, uns doch bitte zur "Extrabehandlung" zu begeben. Sie wollten also den Wagen tatsächlich komplett durchleuchten. Wir mußten zu einem speziellen Gebäude fahren, vor dem noch ein weiteres Auto wartete. Was im Innern passierte, konnte man nicht erkennen – ein geschlossenes Tor versperrte die Sicht. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde Wartezeit waren wir dann endlich an der Reihe und erhielten Einlaß in die "Dunkelkammer". Zwei polnische Beamte nahmen uns in Empfang. Der eine sprach zur Abwechslung Englisch. Er erklärte uns, daß sie den Wagen eingehend untersuchen müßten. Offenbar hatte er wenige Zeit vor uns bereits mit einem anderen Rallye Team Bekanntschaft gemacht, denn er fragte, ob wir irgendeinen Volvo kennen, der ähnlich beklebt war wie unser Mobil. Wir erklärten dann kurz, was wir hier seit 15 Tagen treiben. Der Pole war recht entspannt und hatte offensichtlich auch schon gemerkt, daß es bei uns nichts zu finden geben wird. Der Wagen wurde kurz abgeklopft, man stocherte in den Fensterschächten, leuchtete alles mit der Taschenlampe ab und guckte kurz ins Gepäck. Nach 10 Minuten war die Sache erledigt. Gute Weiterfahrt gewünscht und Tschüss. Diese Aktion an der polnischen Grenze hat uns locker 1,5 Stunden Zeit gekostet … der Abstecher in die Danziger Altstadt war damit leider gestrichen. Ich entschied mich daraufhin, daß der Rest des Landes es auch nicht mehr Wert war, auf Bildern festgehalten zu werden. Gab auch nichts besonderes zu sehen. Polen hat sich ziemlich gut entwickelt. Es sieht in einigen Gebieten nicht mehr anders aus als bei uns in Deutschland. Am Stadtrand von Danzig steuerten wir schnell noch ein großes Gewerbegebiet an und konnten bei Rossmann unsere Fotos entwickeln lassen. Zwischenzeitlich kam eine Nachricht von Team Rückenwind … sie würden nicht bei der Siegerehrung in Hamburg dabei sein können, wollten in Kolberg aber noch mal mit uns anstoßen. Das hörten wir gerne und erreichten den vereinbarten Campingplatz dann auch gegen 20 Uhr. Viele weitere Teams waren hier versammelt. Der Abend endete erst gegen 2 Uhr nachts. Ein letztes Mal im Auto bzw. Zelt schlafen … morgen erwartet uns Hamburg wieder. Wir wollten diesmal gegen 7.30 Uhr vom Campingplatz aufbrechen, weil die Wartezeiten an der russischen Grenze erfahrungsgemäß unberechenbar sind. Die Rezeption des Platzes öffnete dummerweise erst ab 10 … und wir mussten noch bezahlen. Das Geld dann kurzerhand in Papier eingepackt und mit einer kleinen Notiz in den Briefkasten geschmissen … ich hoffe, man konnte es uns zuordnen.
Bis zur Grenze nach Litauen war es nicht mehr weit, auch hier konnten wir ungehindert passieren und überlegten nun, wo wir am schlauesten nach Rußland einreisen. Die Entscheidung fiel auf den Übergang hinter Nida (Nidden) auf der kurischen Nehrung. Die Nehrung ist ein 98 km langer Landstreifen, welcher das kurische Haff von der Ostsee trennt und mit einer traumhaften Landschaft aufwarten kann. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte die Nehrung von 1252 an zu Deutschland (mit Ausnahme der Jahre 1923-1938) . Nun ist jeweils ca. die Hälfte der Halbinsel litauisch bzw. russisch. Litauen selbst hinterließ bei uns einen moderneren Eindruck als Est- und Lettland. Die wirtschaftliche Entwicklung scheint hier etwas weiter zu sein als im Rest des Baltikums. Wobei von allen 3 Ländern gesagt werden muß, daß einiges passiert … überall wird gebaut, Straßen werden befestigt, und ich gehe davon aus, daß dieser Trend sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird und vom Bild ehemaliger Sowjetrepubliken in absehbarer Zeit nicht mehr so viel zu sehen sein wird. Wir setzten in Klaipeda (Memel) mit der Fähre auf die Nehrung über und trafen dabei auf ca. 5-10 andere Teams. Es hatten also noch mehr diese Idee … mal sehen, welche Schlange am Grenzposten auf uns warten würde. Der Zeitplan wie immer straff, viel konnten wir auf dem Weg nach Rußland nicht sehen, es gab wenig Fotopausen … aber die wenigen ersten Eindrücke von diesem Landstreifen sind mehr als positiv haften geblieben! An der Grenze keine Schlange, nur ein paar Autos vor uns. Eine gute Stunde hat es trotzdem gedauert. Unterhaltungen mit anderen Teams wurden von einem russischen Grenzer unterbunden … jeder sollte in seinem Auto warten … weißte Bescheid! Die Abfertigung selber ging bei uns flott, lästiges Zettel ausfüllen entfiel (bis auf die Zollerklärung), weil unsere Daten bereits gespeichert waren und nun per Computer auf die Formulare übertragen werden konnten. Ein oberflächlicher Blick ins Wageninnere, das war's. Hinter der Grenze wurden uns dann noch ein paar Rubel für die Reise durch das angrenzende Naturschutzgebiet abgenommen (man gibt sich hier zum Glück sehr viel Mühe, was den Erhalt der Landschaft angeht), und nun lag Königsberg nur noch 80 km vor uns. Als wir die Stadt erreichten empfing uns eine typische russische Großstadtkulisse … grau und hässlich. Was anderes konnte man aber auch nicht erwarten, da Königsberg im 2. Weltkrieg zu 95 % zerstört worden ist. Wir hatten im Voraus ein Hotel gebucht, für einen Spottpreis … ohne Erwartungen suchten wir zuallererst unser Quartier auf und waren überrascht, welch nobler Schuppen uns erwartete. Kein Vergleich zur überteuerten Bude in St. Petersburg. Schnell eingecheckt, und nun noch einen Abstecher in die Innenstadt, um uns auf die Suche nach den verbliebenen alten Resten der ehemals schönen Stadt zu machen. Die City war gerammelt voll … viel Polizei, Musik und Trubel … man feierte mal wieder den großen Sieg und 70 Jahre Kaliningrad. Nachdem wir einen Happen gegessen hatten, entschlossen wir uns, das Sightseeing auf morgen früh zu verschieben, wenn hoffentlich weniger los sein würde. Eine weitere Mission, die mich morgen in Königsberg erwartet: Das ehemalige Wohnhaus meines Vaters finden, der 1935 hier geboren wurde und bis zur Flucht 1945 mit seinen Eltern und Geschwistern in der Stadt lebte. Wann die Party für uns endete, wissen wir nicht mehr so genau. Es schien aber doch etwas später geworden zu sein, denn am nächsten Morgen zeigte die Uhr bereits Zehn, als die Äuglein aufgingen – neuer Schlafrekord. Duschgelegenheiten existierten auf dem Gelände leider nicht, also mussten wir uns miefend – noch vom Rauch des nächtlichen Lagerfeuers – auf den Weg nach Lettland begeben. Der geplante Umweg über Tallin fiel auch heute leider aus, weil die Polizei angeblich mit einem Großaufgebot vor den Toren der Stadt wartete und wir eine mögliche Kontrolle vermeiden wollten ... Restalkohol und so ... In Rußland durfte ein Team wegen 0,3 Promille 400 Euro an die Ordnungshüter "spenden". Die Alternative: Ein paar Rubel Strafe, aber zusätzlich dem Auto auf nimmer Wiedersehn sagen. Wie ein ähnliches Szenario in Estland abläuft, wollten wir nicht wissen und peilten gleich Riga an.
Die restliche Fahrt durch Estonia verlief eher eintönig. Viel Zeit zum Abzweigen blieb nicht, daher fallen die Bilder spärlich aus. Estland ist eine Mischung aus gepflegt und heruntergekommen. Schönere Holzhütten wechseln sich mit Baracken ab. Größere Orte tragen wegen hervorstechender Plattenbauten durchaus noch Sowjet-Charakter. Unsere Tauschaufgabe konnten wir hier leider nicht erfüllen, weil kaum Menschen unterwegs waren. Die, die wir trafen, verstanden uns entweder nicht oder hatten nichts passendes gegen unser finnisches Tischdeckchen anzubieten. Wir sind damit wohl schon zu hochwertig ;-). Die lettische Grenze war schnell überquert, anschließend bot sich ein uns schon bekanntes Bild: Baustellen … und davon nicht zu wenig ... meistens "sponsert by EU Fördergelder" … und natürlich mit nerviger Wartezeit. Kurz vor Riga nahmen wir einen kleinen Umweg nach Salaspils. Ich hatte gelesen, daß sich dort ein ehemaliges Konzentrationslager befindet, welches die Nazis von 1941-1944 als sogenanntes "Arbeitserziehungslager" und "erweitertes Polizeigefängnis" nutzten. Von der Anlage selber ist nichts mehr übrig … wo einst Baracken für die Gefangenen standen, sind jetzt Wiese und Betonreste. 1967 wurde hier eine Gedenkstätte errichtet. Riesige, ausdrucksstarke Steinfiguren starren den Besucher an, wenn er das Gelände betritt. Natürlich alles im Stil der typischen Sowjet-Symbolik. Wo einst die Kinderbaracken standen, erinnern Stofftiere, Blumen und Spielzeug an das Elend. Am Eingang zur Gedenkstätte steht eine Steintafel, auf welcher eingemeißelte Striche die Tage des Leidens zählen. Wie viele Tote es hier letztendlich gegeben hat, ist nicht eindeutig belegt. Zahlen sind aber auch nicht wichtig, denn jeder einzelne Tote war einer zu viel! Riga selbst haben wir aufgrund Zeitmangels leider auch nur kurz gesehen. Schnell die Tagesaufgabe erfüllt (ein Bild zusammen mit dem höchsten Bauwerk der Stadt = Fernsehturm) und dann ein Nachtlager gesucht. Viel Auswahl gab es nicht, wir entschieden uns, aus der Stadt rauszufahren und landeten gegen 21.30 Uhr auf einem gemütlichen Campingplatz. Morgen reisen wir ein zweites Mal nach Russland ein, um Königsberg zu besichtigen. |
Road Killers
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